Szenenbild aus dem Ballett „Der Nussknacker“, Ballettmitglieder des Saarländischen Staatstheaters, darunter Kyle Davis im Vordergrund als Prinz und Solistin Montana Dalton im blauen Kostüm © Foto Ursula Kaufmann
Am 30. Oktober ging die Premiere des Balletts „Der Nussknacker“ von Peter Tschaikowski über die Bühne des großen Hauses des Saarländischen Staatstheaters. Nach einer langen, dem Coronavirus geschuldeten entbehrungsreichen Zeit konnte erstmals wieder eine „normale“ Produktion mit voller Orchesterbesetzung und ohne Beschränkungen auf der Bühne vor vollem Haus gezeigt werden. Eines der berühmtesten und beliebtesten Tanzstücke wurde vom Premierenpublikum mit Begeisterung und lang anhaltendem Beifall begrüßt.
Der Saarbrücker Ballettchef hat nicht ohne Grund eine große Fangemeinde im Saarland. Seine im Wesentlichen traditionelle Interpretation des Ballettklassikers mag vielleicht nicht auf gänzlich uneingeschränkte Zustimmung stoßen. Aber sie beruht auf einer wohl durchdachten, ausgewogenen und mit perfekter Eleganz ins Werk gesetzten Choreografie. Seine Tanzcompagnie präsentierte sich nahezu ausnahmslos in Bestform. Und in totalem Einklang mit der Musik.
Das Stück beginnt an einem Weihnachtsabend bei Familie Silberhaus in guter Stimmung, die nur von der strengen Tante gestört wird. Man feiert mit Freunden und Verwandten. Patenonkel Drosselmeier (Shawn Throop mit bestechend elegantem, geradezu noblem Auftritt) hat den Kindern Marie und Fritz zur Bescherung einen prächtigen Nussknacker mitgebracht, der wie ein Roboter aussieht und dem der ungestüme Fritz unglücklicherweise den Kopf abschlägt. Drosselmeier steckt ihn wieder auf den Rumpf und die bestürzte Marie (Hope Daugherty) legt die beschädigte Figur sorgsam in ihr Puppenbettchen. Sie ist so aufgeregt, dass sie später nicht schlafen kann und wieder ins Wohnzimmer zurückkehrt, um nach dem Nussknacker zu schauen. Dort schläft sie wieder ein und wird im Traum Zeugin von allerhand turbulenten Geschehnissen. Sie erlebt den zum Leben erwachten Nussknacker/Roboter als Prinzen, einen Kampf zwischen Mäusemonstern mit der ungeliebten Tante als Mäusekönigin. Auch der tapfere Prinz (Kyle Davis) ist in diesen Kampf verwickelt, in den sich die Prinzessin verliebt, zu der Marie im Traum mutiert.
In diesem Traum erlebt sie die prachtvollen Soli, die Pas de deux und Gruppentänze zu den traumhaft schönen Musiknummern von Tschaikowsky. Beste Gelegenheit für Celis‘ Truppe, ihr ganzes Können zu zeigen: makellose Eleganz und in perfekter Synchronität mit der Musik. Das beginnt schon in der Weihnachtsfeier im ersten Teil des Abends mit superben Darstellungen von Harlekin (Colin Jacobs), Ballerina (Rose Bleasdale) und Feuerteufel (Kyana Tam von Burg).
Mit bestechender Schönheit, Brillanz und stupender Präzision werden dann die fünf Tänze auf die Bretter gezaubert. Herausragend der Pas de deux von Prinz und Prinzessin, der spanische Tanz von Gabrielle Salvatto und Eduardo Cino und Montana Dalton als Solistin im arabischen Tanz. Eine sehr ansprechende Leistung boten auch die einfühlsam von Youn Hui Jeon geführten Kinder der Ballettschule als Polichinelles.
Die rundum gelungene Choreografie von Stijn Celis mit dem Bühnenbild von Sebastian Hannak (zu Beginn das zurückhaltend elegante Wohnzimmer der Familie Silberhaus mit dem reich geschmückten großen Weihnachtsbaum, und im zweiten Teil bezaubert der schlossartig prächtige Saal) wird – abweichend von der traditionellen Vorlage – leicht gestrafft und in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts verlegt. So entsteht eine stimmige Kulisse für die Tanzdarbietungen, die Beleuchtungsmeister Karl Wiedemann mit behutsamer Lichtführung einfühlsam und stimmungsvoll begleitet. Besonderer eindrucksvoll sind die grandiosen Kostüme von Laura Theiss, die den Protagonist:innen höchst individuell und passend zur Rolle trefflich auf den Leib geschnitten sind. Die Zusammenarbeit zwischen dem Choreografen und der Designerin ist wie immer ein echter Glücksfall. Last but not least ist die in jeder Hinsicht überzeugende und inspirierende musikalische Begleitung des Staatsorchesters hervorzuheben. Taufrisch klingt die Interpretation der populären Ohrwürmer aus dem Orchestergraben herauf unter der bewährten Stabführung von GMD Sébastien Rouland.
Der lang anhaltende Beifall des begeisterten Publikums beschließt eine glanzvolle Vorstellung. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass dieser Ballettabend ein Publikumsrenner werden wird.
Kurt Bohr